Anna, 42 Jahre alt, hat sich schon immer als optimistische und aktive Person gesehen. Doch seit einigen Monaten fühlt sie sich zunehmend erschöpft und niedergeschlagen. Sie kann sich kaum noch zu alltäglichen Aufgaben aufraffen, schläft schlecht und zieht sich von Freunden zurück. Dinge, die ihr früher Freude bereitet haben, erscheinen ihr sinnlos. Sie grübelt oft über ihre Zukunft und zweifelt an sich selbst. Ihre Familie merkt, dass sie sich verändert hat, aber Anna fühlt sich wie in einem dunklen Tunnel, aus dem sie keinen Ausweg sieht.

Depressive Störungen werden in der ICD-10 unter den Kategorien F32 (depressive Episode) und F33 (rezidivierende depressive Störung) klassifiziert.

1. Depressive Episode (F32)

Eine depressive Episode kann leicht, mittelgradig oder schwer sein.

  • Leichte Episode: Der Alltag ist beeinträchtigt, aber noch bewältigbar.
  • Mittelgradige Episode: Deutliche Beeinträchtigung in Beruf, Familie und Sozialleben.
  • Schwere Episode: Stark ausgeprägte Symptome, oft mit Suizidgedanken.

 

2. Rezidivierende depressive Störung (F33)

  • Wiederkehrende depressive Episoden über Monate oder Jahre.
  • Höheres Risiko für chronische Depression.

 

3. Dysthymie (F34.1)

  • Leichte, aber über mindestens zwei Jahre anhaltende depressive Verstimmung.
  • Betroffene fühlen sich dauerhaft niedergeschlagen, ohne starke Schwankungen.

Eine Depression betrifft das Denken, Fühlen und Verhalten. Laut ICD-10 müssen mindestens zwei der drei Hauptsymptome sowie weitere Nebensymptome über mindestens zwei Wochen bestehen.

Hauptsymptome:

Anhaltende gedrückte Stimmung (tiefe Traurigkeit, Leeregefühl)

Interessenverlust (Freude an früheren Aktivitäten fehlt)

Antriebslosigkeit, erhöhte Erschöpfung

Nebensymptome:

🔸 Konzentrations- und Gedächtnisprobleme

🔸 Selbstzweifel, Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit

🔸 Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafprobleme)

🔸 Appetitveränderungen (Gewichtsverlust/-zunahme)

🔸 Körperliche Beschwerden ohne medizinische Ursache (z. B. Kopfschmerzen, Magenprobleme)

🔸 Grübeln über Vergangenes oder die Zukunft

🔸 Suizidgedanken in schweren Fällen

Je nach Schweregrad kann eine Depression das tägliche Leben stark beeinträchtigen.

Die Verhaltenstherapie konzentriert sich darauf, negative Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern, um schrittweise die Stimmung zu verbessern.

1. Psychoedukation: Depression verstehen

  • Aufklärung über die Ursachen und Mechanismen einer Depression.
  • Entlastung durch das Wissen, dass Depression eine behandelbare Erkrankung ist.

 

2. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Negative Gedanken hinterfragen

  • Kognitive Umstrukturierung: Automatische negative Gedanken erkennen und durch realistischere ersetzen („Ich bin wertlos“ → „Ich habe Herausforderungen, aber ich bin nicht wertlos“).
  • Grübelstopp-Techniken zur Reduktion von übermäßigem Nachdenken.
  • Achtsamkeitstraining zur besseren Selbstwahrnehmung.

 

3. Verhaltensaktivierung: Wieder Freude finden

  • Tagesstrukturierung: Einbindung positiver Aktivitäten, auch wenn die Motivation fehlt.
  • Kleine Erfolgserlebnisse schaffen, um das Selbstwertgefühl zu stärken.
  • Angenehme Aktivitäten wiederentdecken, um das Belohnungssystem des Gehirns zu aktivieren.

 

4. Expositionstherapie: Soziale Isolation vermeiden

  • Schrittweise Wiederaufnahme sozialer Kontakte.
  • Überwindung von Vermeidungsverhalten, das durch depressive Gedanken entsteht.

 

5. Entspannungstechniken und körperliche Aktivität

  • Atem- und Achtsamkeitsübungen zur emotionalen Stabilisierung.
  • Progressive Muskelentspannung (PMR) zur Stressbewältigung.
  • Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität hilft, die Stimmung zu verbessern.

 

6. Rückfallprävention & nachhaltige Strategien

  • Entwicklung individueller Bewältigungsstrategien für zukünftige Krisen.
  • Früherkennung von Warnsignalen, um rechtzeitig gegenzusteuern.
  • Aufbau einer langfristigen Work-Life-Balance und Selbstfürsorge.

Eine Depression kann jeden treffen, ist aber gut behandelbar. Mit verhaltenstherapeutischen Methoden können negative Denkmuster verändert, soziale Aktivitäten wieder aufgebaut und der Alltag Schritt für Schritt erleichtert werden. Wer sich frühzeitig Hilfe sucht, kann die Lebensfreude langfristig zurückgewinnen.