Johanna, 45 Jahre alt, hat vor einigen Monaten ihren Job verloren. Zunächst dachte sie, sie würde die Situation gut bewältigen. Doch mit der Zeit fühlte sie sich zunehmend antriebslos, gereizt und ängstlich. Nachts lag sie oft stundenlang wach, grübelte über die Zukunft und fühlte sich emotional erschöpft. Freunde bemerkten, dass sie sich zurückzog und auf nichts mehr wirklich reagieren konnte. Als sie anfing, alltägliche Aufgaben zu vermeiden und kaum noch Energie verspürte, suchte sie Hilfe.

In der ICD-10 werden Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen unter F43 klassifiziert.

1. Akute Belastungsreaktion (F43.0)

  • Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes Ereignis (z. B. Unfall, plötzlicher Verlust, Naturkatastrophe).
  • Symptome treten unmittelbar nach dem Ereignis auf und dauern meist Stunden bis Tage an.
  • Häufige Symptome: emotionale Taubheit, Schreckhaftigkeit, Unruhe, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen.

2. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (F43.1)

  • Entwickelt sich nach einem Trauma, oft mit Flashbacks, Alpträumen und Vermeidungsverhalten.
  • Betroffene sind ständig in Alarmbereitschaft, leiden unter Reizbarkeit, Angst oder Gefühllosigkeit.
  • Symptome bestehen länger als einen Monat und können stark einschränkend sein.

3. Anpassungsstörung (F43.2)

  • Emotionale Reaktion auf belastende Lebensveränderungen (z. B. Trennung, Arbeitsplatzverlust, schwere Krankheit).
  • Symptome: Niedergeschlagenheit, Angst, Überforderung, sozialer Rückzug, Schwierigkeiten, sich an die neue Situation anzupassen.
  • Hält über mehrere Wochen bis Monate an, jedoch nicht so intensiv wie eine PTBS.

Die Verhaltenstherapie bietet strukturierte Methoden, um Belastungen zu bewältigen und das emotionale Gleichgewicht wiederherzustellen.

1. Psychoedukation: Das Problem verstehen

  • Erklärung, wie Stress, Trauma oder Verlust psychische Symptome auslösen.
  • Vermittlung von Wissen über die natürliche Verarbeitung von Belastungen.
  • Entlastung durch das Verständnis, dass die Symptome eine normale Reaktion auf eine unnormale Situation sind.

 

2. Stabilisierungstechniken: Sicherheit im Hier und Jetzt schaffen

  • Achtsamkeits- und Atemtechniken zur emotionalen Beruhigung.
  • Imaginationsübungen wie der „Sichere Ort“, um innere Stabilität aufzubauen.
  • Progressive Muskelentspannung (PMR) und andere körperzentrierte Ansätze zur Reduktion von Anspannung.

 

3. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Gedanken und Gefühle regulieren

  • Kognitive Umstrukturierung: Identifikation und Veränderung belastender Gedanken („Ich werde nie mehr glücklich sein“ → „Es ist eine schwere Phase, aber sie wird vorbeigehen“).
  • Grübelstopp-Techniken zur Vermeidung von übermäßigem Nachdenken über das belastende Ereignis.
  • Stressbewältigungstraining, um besser mit herausfordernden Situationen umzugehen.

 

4. Expositionstherapie (bei PTBS und starkem Vermeidungsverhalten)

  • Narrative Expositionstherapie: Erzählen und Verarbeiten der belastenden Erfahrung in einem sicheren Rahmen.
  • Gestufte Konfrontation mit angstauslösenden Situationen, um Vermeidungsverhalten zu reduzieren.

 

5. Verhaltensexperimente: Neue Erfahrungen sammeln

  • Alltagsaktivierung: Strukturierte Planung positiver Aktivitäten zur Steigerung der Lebensqualität.
  • Soziale Kompetenztrainings, um Isolation zu vermeiden und den Kontakt zu anderen zu fördern.

 

6. Rückfallprävention: Langfristige Strategien entwickeln

  • Entwicklung eines individuellen Plans zur Erhaltung der emotionalen Stabilität.
  • Förderung von Resilienz durch gezielte Übungen und nachhaltige Stressbewältigungstechniken.
  • Integration von gesunden Routinen in den Alltag, um erneute Überlastung zu vermeiden.

Belastende Lebensereignisse können das seelische Gleichgewicht erschüttern – doch mit gezielten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen ist es möglich, Stabilität und Lebensqualität zurückzugewinnen. Wer rechtzeitig Unterstützung sucht, kann lernen, mit Veränderungen besser umzugehen und gestärkt aus der Krise hervorzugehen.